Genossenschaften in Weser-Ems auf Wachstumskurs
07.05.2018
- Genossenschaften der Waren-, Vieh- und Milchwirtschaft gut aufgestellt
- Energiegenossenschaften bauen Marktposition aus
Oldenburg/Rastede. Am 7. Mai präsentierte der Genossenschaftsverband Weser-Ems die Geschäftsergebnisse 2017 der dem Verband angehörenden Ländlichen Genossenschaften und Energiegenossenschaften im Akademiehotel Rastede. Zusammenfassend stellte Verbandsdirektor Johannes Freundlieb fest, dass die genossenschaftlichen Unternehmen in den einzelnen Geschäftssparten erneut solide Zuwächse erzielt haben.
„Ein höheres Preisniveau sorgte in vielen Betrieben der deutschen Agrarwirtschaft für erheblichen Rückenwind und führte in 2017 zu teils kräftigen Umsatzanstiegen. Somit lässt die Branche zwei wirtschaftlich schwierige Jahre hinter sich und kehrt auf den Wachstumspfad zurück“, führte Freundlieb weiter aus. Nach vorliegenden Prognosen konnte die deutsche Agrarwirtschaft ihre Umsätze in 2017 um 3,4 Prozent auf 225,7 Milliarden Euro steigern.
Warengenossenschaften
Die dem Verband angehörenden 34 Warengenossenschaften und -gesellschaften haben nach Angaben des Verbandsvorstandes in 2017 einen Gesamtumsatz von rund 1,6 Milliarden Euro (Vorjahr: 1,56 Milliarden Euro) erzielt. Der in den Vorjahren zu verzeichnende Abwärtstrend konnte damit gestoppt werden. Ein in fast allen Warengruppen gestiegenes Preisniveau kompensierte dabei leicht rückläufige Umschlagsmengen.
Die Getreideernte 2017 war für viele Genossenschaften eine Herausforderung, da die Erntearbeiten durch unbeständige Witterungsbedingungen mit teils ergiebigen Niederschlägen immer wieder unterbrochen wurden. Schon früh war absehbar, dass die Landwirte höchstens eine Getreideernte auf dem Vorjahresniveau erwarten können. Letztlich fiel das bundesweite Gesamtergebnis mit 45,6 Millionen Tonnen erneut enttäuschend aus. Die Qualitäten sind insgesamt befriedigend, weisen allerdings beim Weizen regional große Heterogenität und einen hohen Anteil an Futterqualitäten auf. Die Rapsernte konnte ebenfalls nicht überzeugen. Entscheidend für die Preisentwicklung war die erhöhte globale Getreideernte, in dessen Folge die Preisnotierungen an den Warenterminbörsen permanent unter Druck standen und zu einem verminderten Ertragsniveau bei den Genossenschaften führte sowie der Wechselkurs zwischen Euro und US-Dollar, der aufgrund des gesättigten Inlandmarktes zunehmend an Bedeutung gewinnt.
Die Futtermittelwirtschaft verzeichnete 2017 im Vergleich zum Vorjahr einen mengenmäßigen Zuwachs über alle Produktionszweige, wenn auch unterschiedlich stark. Besonders im Milchvieh- und Schweinesektor wurden Zuwächse verbucht. Futtermittel sind nach wie vor für rund die Hälfte des gesamten Umsatzes der Warengenossenschaften ausschlaggebend. Anteilig kommen über 60 Prozent der umgesetzten Futtermittel aus der Eigenproduktion der Genossenschaften. Für die hiesige Mischfutterindustrie bleibt Getreide unverändert der wichtigste Rohstoff. Getreidesubstitute aus Interventionszeiten, wie beispielsweise Tapioka, sind aus den Rezepturen weitestgehend verschwunden und inzwischen auch wenig verfügbar. Dagegen steigt die Verwendung von nicht verbrauchten Lebensmitteln (z. B. Brot- und Backwaren) in der Futtermittelproduktion deutlich an.
Analog der Vorjahre ist die Nachfrage an GVO-freien-Erzeugnissen (GVO: gentechnisch veränderte Organismen) weiter gestiegen. „Mit der Diskussion über GVO-Futtermittel stellt sich zugleich die Frage, ob überhaupt ausreichend Rohstoff zur Verfügung steht, wenn der überwiegende Anteil des wichtigsten Eiweißfuttermittels weltweit mittlerweile gentechnisch verändert ist“, so Freundlieb, und weiter: „Klar ist, dass die europäische und insbesondere die deutsche Veredelungsindustrie auf den Import von wertvollen Protein- und Aminosäurequellen angewiesen sind, um die Versorgung der Nutztierbestände zu gewährleisten.“ Mittelfristig würde sich die Produktion von Lebensmitteln tierischen Ursprungs bei einem ordnungspolitisch veranlassten Importverzicht von verschiedenen Eiweißfuttermitteln in andere EU-Mitgliedstaaten und in das Drittland verlagern. Eine solche Beeinträchtigung des internationalen Handels verbunden mit einer schrittweisen Umstellung auf heimische Futtermittel hätte erhebliche Wohlfahrts- und Marktanteilsverluste für die EU und Deutschland zur Folge – und zwar nicht nur bei tierischen Produkten, sondern auch bei wertschöpfungsstarken Getreideprodukten.
Aufgrund der novellierten Dünge- beziehungsweise Stoffstrombilanzverordnung geht der Verband davon aus, dass die Genossenschaften tendenziell rückläufige Tierbestände bei ihren Mitgliedern verzeichnen werden, was negative Auswirkungen auf die Mischfutterproduktion haben wird. Für das Jahr 2018 ist daher von einer stagnierenden bis leicht reduzierten Nachfrage bei Futtermitteln auszugehen.
Zu den weiteren Geschäftsfeldern der Ländlichen Genossenschaften zählen nach Aussagen von Freundlieb der Handel mit landwirtschaftlichen Betriebsmitteln, mit Land- und Stalltechnik sowie Mineralölen, Treib- und Schmierstoffen. Neben dem dichten Netz an Tankstellen, an denen fast überall auch alternative Kraftstoffe wie Erd- oder Flüssiggas angeboten werden, unterhalten nahezu alle die dem Verband angehörenden Waren führenden Genossenschaften und Gesellschaften auch florierende Raiffeisen-Märkte, um die örtliche Nahversorgung für die Bevölkerung sicher zu stellen.
Viehvermarktungsgenossenschaften
Der wertmäßige durchschnittliche Umsatz der 21 dem Verband angehörenden Vieh vermarktenden Genossenschaften und Gesellschaften betrug 61,9 Millionen Euro – ein Plus von 18,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr (52,4 Millionen Euro).
2017 wurden in Weser-Ems 4,1 Millionen Zucht- und Nutztiere (Ferkel, Läufer und Großvieh) vermarktet (Vorjahr: 3,6 Millionen Tiere), der Umsatz konnte auf rund 369 Millionen Euro (Vorjahr: 290 Millionen Euro) ausgeweitet werden. Auch die Zahl der erfassten Schlachttiere (Schweine und Großvieh) konnte im vergangenen Jahr im Vergleich zum Vorjahr auf 4,3 Millionen Stück gesteigert werden. Der Umsatz stieg auf 844 Millionen Euro (Vorjahr: 711 Millionen Euro).
Verbandsdirektor Freundlieb stellt zu dieser Genossenschaftssparte zufriedenstellend fest, dass der Gesamtumsatz dieser Unternehmen auf rund 1,3 Milliarden Euro anstieg und somit ein Zuwachs gegenüber dem Vorjahr von beachtlichen 18,2 Prozent verbucht werden konnte.
Die dem Verband angehörenden Herdbuchgenossenschaften blicken insgesamt erneut auf ein erfolgreiches, wenn auch gegenüber den Vorjahren etwas abgeschwächtes Zucht- und Geschäftsjahr zurück.
Molkereigenossenschaften
„Nach zwei sehr schwierigen Jahren folgte für die Milcherzeuger nun endlich ein Lichtblick“, mit dieser Feststellung leitete Verbandsdirektor Axel Schwengels zu der genossenschaftlichen Milchwirtschaft über. Die ab dem 2. Halbjahr 2016 geringen Anlieferungsmengen führten nach seinen Aussagen zu einer deutlichen Entspannung. So lagen die Auszahlungspreise Anfang 2017 bereits oberhalb der 30-Cent-Marke und stiegen dann weiter deutlich an. Der durchschnittliche Erzeugerpreis lag 2017 bei etwa 36 Cent pro Kilogramm und somit etwa 35 Prozent über dem Vorjahresniveau.
Die zwei dem Verband angehörenden in der Milchverarbeitung tätigen Genossenschaften stellten sich erfolgreich den immer größer werdenden Herausforderungen auf dem vernetzten globalen Milchmarkt, den sich stetig wandelnden Verbraucherwünschen und -gewohnheiten sowie den veränderten politischen Rahmenbedingungen, um eine bestmögliche Verwertung im Interesse ihrer Mitglieder zu erzielen. Sie erzielten in 2017 zusammen Umsatzerlöse in Höhe von 6,7 Mrd. Euro. Dabei verarbeiteten sie insgesamt 9,9 Mrd. kg Rohmilch.
Ländliche Genossenschaften: Ausblick für 2018
Abschließend stellte Verbandsdirektor Schwengels mit Blick auf die Ländlichen Genossenschaften fest, dass neben der ausgeprägten Volatilität der Märkte strenge Anforderungen an die Nutztierhaltung und an die Bewirtschaftung von Ackerflächen dem Wachstum Grenzen setzen. Auch verlangen Digitalisierungstendenzen allen Unternehmen zusätzliche Investitionen ab. Darüber hinaus besteht auch in der Agrarwirtschaft ein sich verschärfender Fachkräftemangel in der hiesigen Wirtschaftsregion.
Energiegenossenschaften
Über 14.000 Mitglieder in Weser-Ems stehen hinter den 71 Energiegenossenschaften, die sich auf unterschiedliche Geschäftsfelder konzentrieren. Zu nennen sind insbesondere die Versorgung mit Strom, Gas und Nahwärme sowie die Produktion von Strom aus erneuerbaren Energiequellen wie Wind und Sonne.
Für die Betreiber von Windenergieanlagen kann das Windjahr 2017 als „durchwachsen“ bezeichnet werden. Die insgesamt zu verzeichnenden Mindererträge konnten trotz einer verbesserten Windsituation im vierten Quartal nicht mehr kompensiert werden. Erfreulich ist nach Angaben von Schwengels in diesem Zusammenhang aber, dass der im vergangenen Jahr insgesamt erzeugte Windstrom mit über 100 Milliarden kWh die Steinkohle von Platz 2 des deutschen Strommixes verdrängt hat.
Der Start in das Geschäftsjahr 2018 war deutlich besser: „Die Windverhältnisse führten an einigen Standorten sogar zu Überkapazitäten, so dass im ersten Quartal die Windenergieanlagen vielerorts abgeschaltet werden mussten, um eine Überlastung der Netze zu verhindern.“
Der Nordwesten ist prädestiniert für die Windenergie. „Zwar sehen wir auch unverändert noch weiteres Potenzial für die Nutzung der Windkraft, die Initiierung und federführende Errichtung von Bürgerwindgenossenschaften ist aber mit der Einführung des EEG 2017 deutlich erschwert worden“, so Schwengels weiter: „Die finanziellen Hürden, die aufgrund der Teilnahme am Ausschreibungsverfahren bestehen, sind für kleine und regional verankerte Bürgerenergieprojekte unserer Einschätzung nach nur schwer zu überwinden.“
Mehrere regionale Windparkprojekte, die bis Ende 2016 – und damit vor verpflichtender Anwendung des Ausschreibungsverfahrens – ihre erforderlichen Genehmigungen erhalten haben, werden noch in 2018 die Anlagen errichten und die Produktion aufnehmen. Der Verband rechnet daher für dieses Jahr noch mit der Gründung von weiteren Bürgerenergiegenossenschaften, die diese Anlagen dann betreiben werden.
Nach Einschätzung des Verbandes werden künftig zwar weiterhin Windparkprojekte umgesetzt, zu einer frühzeitigen Einbindung und Mitwirkung der betroffenen Bürger wird es dabei aber nicht mehr wie im bisherigen Umfang kommen. Vielmehr werden künftig Anteile an extern projektierten Windparkprojekten den Bürgern als Beteiligung angeboten. Ob diese Projekte dann dem Anspruch eines „Bürgerwindparks“ Rechnung tragen, hängt von den vom Projektierer vorgegebenen Konditionen und Vereinbarungen ab.
Auch die dem Verband angehörenden Photovoltaikgenossenschaften haderten in 2017 mit der Witterung: Viele wolkenverhangene Tage und immer wiederkehrende, lang anhaltende Regenperioden bremsten die Stromerzeugung aus. Auch wenn sich die Anzahl der Sonnenstunden in Weser-Ems geografisch bedingt schon immer unterhalb des Bundesdurchschnitts bewegte, ist 2017 als ein nicht zufriedenstellendes Jahr zu bezeichnen. Während in 2016 der Ertrag in kWh je installierter Kilowatt-Peak-Leistung noch vergleichsweise versöhnliche 96 Prozent des Bundesdurchschnitts betrug, konnten im abgelaufenen Jahr nur rund 91 Prozent des Bundesdurchschnitts in der hiesigen Region erreicht werden.
Für Genossenschaften, die Photovoltaik-Anlagen betreiben, hat das Jahr 2018 gut begonnen. Von Januar bis Anfang April trübten zwar viele bewölkte Tage die Energieausbeute, aber seit Anfang April zeigte sich regelmäßig strahlender Sonnenschein.
Von dem wechselhaften Wetter im vergangenen Jahr profitieren hingegen die dem Verband angehörenden Nahwärmegenossenschaften: So ergab sich aufgrund der deutlich kühleren Temperaturen im späten Frühjahr und im Herbst eine gegenüber dem Vorjahr längere und ergiebigere Heizperiode, so dass die gelieferten Wärmemengen entsprechend gesteigert werden konnten.
Weiteres Potenzial sieht Schwengels in der Errichtung von kleineren und regionalen Einheiten, die sich autark mit Wärme versorgen. Neben der vergleichsweise hohen Bestandsdichte an bereits vorhandenen Blockheizkraftwerken als potenzielle Wärmelieferanten bietet auch das Zusammenspiel von Kommunen und Industrie bei der Entwicklung und Erschließung von z. B. Bau- oder Gewerbegebieten eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Nutzung der Kraft-Wärme-Kopplung.
Gründung von neuen Genossenschaften in Weser-Ems
Verbandsdirektor Freundlieb ging in seinen Ausführungen auch auf die Gründungsberatung des Verbandes ein. So wurden mit Unterstützung des Verbandes in den zurückliegenden Wochen weitere neue Genossenschaften mit sehr unterschiedlicher Geschäftsausrichtung gegründet. Beispielhaft stellte die „WIR.Reisen.eG“ mit Sitz in Oldenburg vor, die von dem Inhaber des bisherigen Reiseanbieters im Rahmen einer Nachfolgeregelung in eine Genossenschaft mit Beteiligung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter überführt worden ist. Zudem stellte Freundlieb die Gründung des Dorfgemeinschaftshauses „Zum Schanko eG“ in Handorf im Landkreis Vechta vor. Diese Genossenschaft konnte innerhalb von nur sechs Wochen durch die Zeichnung von Genossenschaftsanteilen in Höhe von 175.000 Euro gegründet werden, um die bisherigen Gesellschaftsräume durch die Genossenschaft zu übernehmen und somit langfristig für die Bürgerinnen und Bürger als gesellschaftlichen Treffpunkt in der Kommune zu sichern.
Aktivitäten des Verbandes im „Raiffeisen-Jahr 2018“
Nach Aussagen von Abteilungsleiter Harald Lesch war die ausschlaggebende Vision von Friedrich Wilhelm Raiffeisen, dessen Geburtstag sich in diesem Jahr zum 200. Mal jährt, das Leben von Menschen nachhaltig vor Ort zu verbessern. Mit der auch heute immer noch hochaktuellen Geschäftsidee ist ihm dies auf hervorragende Weise gelungen. Im „Raiffeisen-Jahr“ wird der Verband daher mehrere Veranstaltungen durchführen.
In diesem Zusammenhang kündigte Lesch den 10. Genossenschaftstag Weser-Ems am 1. Juni im Akademiehotel Rastede mit dem niedersächsischen Umweltminister Olaf Lies als Hauptredner und den Verbandstag des Genossenschaftsverbandes Weser-Ems am 5. September in Oldenburg an, auf dem der niedersächsische Wirtschaftsminister Dr. Bernd Althusmann sprechen wird. Zudem wies er auf die derzeit laufende Ausschreibung des Musikwettbewerbes „Das beste Lied auf Raiffeisen“ des Verbandes hin. Bis zum 30. Juni 2018 können noch Bewerbungen von Solokünstlern oder Bands beim Verband eingereicht werden.