Neues Denken gefordert
veröffentlicht im Genossenschafts-Magazin Weser-Ems, Ausgabe 07/2024
NachhaltigkeitsForum: Das Thema Nachhaltigkeit durchdringt alle Geschäftsbereiche. Interessante Vorträge und Diskussionen zeigten die Vielschichtigkeit der Herausforderungen für Volksbanken und Raiffeisenbanken sowie für die genossenschaftlichen Verbundpartner.
Eindrucksvoll, anregend, mega, anders – es gab viele Attribute, mit denen die Teilnehmenden unser NachhaltigkeitsForum beschrieben haben. In dem außergewöhnlichen Ambiente eines liebevoll als Kultur- und Veranstaltungsscheune kernsanierten bäuerlichen Anwesens in Dötlingen kamen im Juni rund 60 Interessierte aus den Volksbanken und Raiffeisenbanken sowie von den verschiedenen genossenschaftlichen Verbundpartnern zusammen. Sie hörten Vorträge zu unterschiedlichsten Aspekten und aus verschiedenen Blickwinkeln der Nachhaltigkeitsbetrachtung und diskutierten intensiv im Plenum und in den Netzwerk-Pausen. Eines war für unseren Unternehmensberater und Nachhaltigkeitsmanager Guido Jaskulska dabei eine sehr klare Botschaft: „Der Tag hat mir einmal mehr gezeigt, dass die Volksbanken und Raiffeisenbanken das Thema jetzt angehen müssen. Wer das nicht macht, läuft Gefahr, einen wirklich großen Fehler zu machen.“
Fokus auf Umsetzung legen
Nachhaltigkeit durchdringe alle Geschäftsbereiche und biete dabei große Chancen, sowohl im Vertrieb als auch bei der Arbeitgeberattraktivität. Viele Kundinnen und Kunden seien für nachhaltiges Wirtschaften aufgeschlossen und erwarteten entsprechende Lösungsvorschläge. Vieles müsse dabei neu gedacht werden, so der Unternehmensberater: „Uns fehlen Erfahrungswerte, dieses ist unser erster Klimawandel. Wir betreten im Bereich Nachhaltigkeit vielfach schlicht Neuland.“
Den mehr als 50 Volksbanken und Raiffeisenbanken bescheinigte er dabei eine hohe Sensibilisierung für das Thema. Es gelte, den Fokus stark auf die Operationalisierung und damit die konkrete Umsetzung verschiedenster Maßnahmen vom ESG-RisikoScoring über die eigene Nachhaltigkeitsberichterstattung bis hin zur Qualifizierung von Mitarbeitenden sowie vielen weiteren Bereichen mehr zu legen. „Dabei muss jede Volksbank und Raiffeisenbank individuell entscheiden, was für sie sinnvoll ist“, betonte Guido Jaskulska und nannte dabei Authentizität als wesentlichen Erfolgsfaktor.
Tempo muss steigen
Die Referenten der Verbundpartner wie unter anderem Patrick Jackes, Projektleiter ESG-RisikoScore bei der parcIT GmbH, und Carsten Walch, Kompetenzzentrum Nachhaltigkeit des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), betonten, dass bei den vielschichtigen Bereichen der Nachhaltigkeit das Tempo in der Umsetzung insgesamt steigen sollte, um im Vergleich zu den Wettbewerbern nicht ins Hintertreffen zu geraten. Die parcIT, der BVR und auch die DZ BANK mit Jennifer Dulgheru (Firmenkunden) und Kay Noack (Beratung Gesamtbanksteuerung) stellten aktuelle Produkte, Dienstleistungen und Pläne der Verbundpartner im Bereich der Nachhaltigkeit vor.
So werde im Rahmen des Handlungsprogramms Nachhaltigkeit eine Toolbox entwickelt, die zusammen mit einem aktualisierten NachhaltigkeitsCockpit Anfang 2025 vom BVR neue, konkrete Umsetzungshilfen für die Genossenschaftsbanken bieten werde. Die parcIT erläuterte die Weiterentwicklung des ESG-RisikoScoring. In Kürze werde dazu ein bereits aktualisierter Portfoliobericht zur Verfügung stehen, der eine veränderte Gewichtung der drei Bereiche der Nachhaltigkeit Umwelt, Soziales und Unternehmensführung berücksichtige. Bei der DZ BANK standen die Nachhaltigkeitsangebote und -dienstleistungen für das Treasury und Firmenkundengeschäft im Fokus.
Nachhaltigkeitsreise
Guido Spieker, Bereichsleiter Firmenkunden der Grafschafter Volksbank eG, berichtete, wie sich die Genossenschaftsbank vor rund fünf Jahren auf ihre Nachhaltigkeitsreise begeben habe. Es sei eine vorsichtige, nicht immer einfache Annäherung an das Thema gewesen. Heute gebe es unter anderem zahlreiche Nachhaltigkeitsbeauftragte und -botschafter im Haus, im Bereich der Firmenkundenberatung erfolge eine kontinuierliche Qualifizierung, die Dienstwagenflotte sei elektrisch und auch in der Beratung seien einige Aspekte bereits aktiv aufgenommen worden. „Wichtig für uns war es aber vor allem, ein gemeinsames Mindset zu entwickeln“, so Guido Spieker. Damit habe ein klarer Weg im Bereich der Nachhaltigkeit eingeschlagen werden können. Das sei vor allem für die Mitarbeitenden als Orientierung wichtig gewesen und stärke gleichzeitig die Außenwirkung.
Eine multidimensionale Herausforderung
Einen eindrucksvollen Einblick in die Praxis der wichtigen Kundengruppe der Landwirtschaft und Agrarunternehmen gab Dr. Barbara Grabkowsky. Sie ist Leiterin des Verbundes Transformationsforschung agrar Niedersachsen (trafo:agrar) an der Universität Vechta. Nachhaltigkeit sei eine „multidimensionale Herausforderung“. Digitalisierung, Wirtschaftlichkeit, Betriebsstrukturen, wissenschaftliche Erkenntnisse, Nährstoffmanagement, politische Vorgaben, Verbraucherverhalten, Preisdruck des Einzelhandels und einige weitere Aspekte verdeutlichen die auch von Zielkonflikten und Widersprüchlichkeiten geprägte Herausforderung, vor der die landwirtschaftlichen Betriebe auch in Weser-Ems stünden. „Das System Landwirtschaft ist komplex“, so die Wissenschaftlerin. Somit gebe es keine einfachen Lösungen. Alle gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und politischen Kräfte seien gefordert. Für Weser-Ems habe die Agrarwirtschaft eine herausragende Bedeutung.
Herausforderung für Prüfung
Verbandsdirektor Axel Schwengels betonte, dass vor allem die Ländlichen Genossenschaften und die Energiegenossenschaften in Weser-Ems Treiber der Transformationsprozesse seien. Als wichtiger Teil der Wertschöpfungskette der Agrar- und Ernährungswirtschaft sei ihnen die Bedeutung des Themas sehr bewusst. „Sie werden aktiv dazu beitragen, dass Deutschland bis 2045 klimaneutral sein wird“, so Axel Schwengels. Auch für die Prüfungsabteilung des Verbandes entstünden neue Herausforderungen wie beispielsweise die Prüfung der CSRD-Berichte, die mittelfristig auf eine zunehmende Zahl von Volksbanken und Raiffeisenbanken in Weser-Ems zukommen werde. Dabei seien diverse Details vom Gesetzgeber noch auszuarbeiten. Unklar sei beispielsweise, ob künftig alle Wirtschaftsprüferinnen und -prüfer auch für die Prüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung zugelassen seien. Zwar gelte aktuell ein Bestandsschutz. Allerdings stünden Detailregelungen seitens des Gesetzgebers noch aus. „Sie können sich aber sicher sein, dass wir auf jeden Fall eine entsprechende Lösung finden“, betonte der Verbandsdirektor.
Abgerundet wurde unser NachhaltigkeitsForum mit Ständen der Unternehmen Atruvia, BMS Corporate Solutions, DG Nexolution und Union Investment, die ihr umfangreiches Leistungsangebot für das Handlungsfeld Nachhaltigkeit präsentierten und die Pausen dazu nutzten, um mit den Teilnehmenden in den Dialog zu gehen.