Biomethan: Baustein für eine grüne Zukunft
veröffentlicht im Genossenschafts-Magazin Weser-Ems, Ausgabe 10/2024
Das nordfuel-Werk in Friesoythe ist im Juli in Betrieb gegangen. Es ist eines der größten in Europa. Die Bankvorstände aus dem Arbeitskreis Landwirtschaft waren beeindruckt von Konzept, Technik und Herangehensweise und erhielten dazu interessante Einblicke von Geschäftsführer Rainer Tögel.
Interessante Einblicke in die Biomethanproduktion und das Geschäftsmodell mit Treibhausminderungsquoten (THG) erhielten die Mitglieder des Arbeitskreises Landwirtschaft der Arbeitsgemeinschaft der Volksbanken und Raiffeisenbanken in Weser-Ems (AGVR) auf ihrer jüngsten Sitzung Mitte September. Diese fand am Biomethanwerk am C-Port in Friesoythe statt, das Anfang Juli in Betrieb gegangen ist. Rainer Tögel, Geschäftsführer des Betreibers nordfuel GmbH, führte die Bankvorstände zuvor über das rund 13,5 Hektar große Gelände, in das die revis bioenergy GmbH aus Münster als Entwickler bislang rund 120 Millionen Euro investiert hat und das Anfang Juli in Betrieb genommen worden ist: „Es ist eine der größten Anlagen in Europa und in dieser Form weltweit einzigartig.“
Produktionstiefe und Komplexität einzigartig
Vor allem die Nutzung- und Produktionstiefe sowie die Vielzahl abgestimmter technischer Prozesse machen das Biomethanwerk nach Angaben des Geschäftsführers einzigartig. So werden jährlich neben rund 690 Gigawattstunden Energie etwa 7.000 Tonnen flüssiges CO2 gewonnen, das zu Trockeneis verarbeitet wird. Zudem werden den Gärresten rund 8.000 Tonnen flüssiger Ammoniak entzogen, das in der Düngemittelproduktion gefragt ist. Die Gärreste selbst werden zu Torfersatzmaterial verarbeitet.
Darüber hinaus werden in einem speziellen Dekanterverfahren jährlich rund 350.000 Kubikmeter Prozesswasser aufbereitet, so dass dieses wieder im Produktionskreislauf verwendet oder in die nahegelegene Sagter bedenkenlos eingeleitet werden kann. Qualitativ mangelhaftes Methan, wie es immer mal entstehe im Produktionsprozess und nicht in das Versorgungsnetz eingespeist werden dürfe, werde nicht abgefackelt, wie in anderen Werken üblich, sondern durchlaufe eine weitere Aufbereitungsschleife. „Wir versuchen mit vielen Stellschrauben, die C02-Belastung bei allen Prozessen zu minimieren“, so Rainer Tögel. Durch die langjährige Erfahrung habe die revis bioenergy die Biomethanproduktion immer weiter optimiert.
Minus 160: THG-Quoten beeindrucken Arbeitskreis
Der AGVR-Arbeitskreisvorsitzende Rainer Herbers, Vorstand der VR-Bank in Südoldenburg eG, zeigte sich wie sein Kolleginnen und Kollegen, die AGVR-Geschäftsführerin Stephanie Hempel und unser für den Arbeitskreis verantwortlicher Unternehmensberater Ralf-Peter Janik, beeindruckt von dem Konzept, der Technik und der Herangehensweise der nordfuel. Der Wert von minus 160 für die THG-Quoten, die Rainer Tögel für das Werk nannte, ließ die Bankvorstände zudem mehr als erstaunen. Je tiefer der Wert ist, desto größer ist die Einsparung an C02 und desto höher sind die erzielbaren Erlöse.
Vor allem die Mineralölindustrie kauft die THG-Quoten, um damit ihre gesetzlich vorgeschriebene Reduzierung an CO2-Emissionen erfüllen zu können. THG-Quotenwerte von minus 130 gelten in der Biogas- und Biomethan-Branche bereits als sehr gut. Die Differenz von 30 Punkten macht in der Größenordnung wie in Friesoythe am Ende Millionenbeträge aus. Somit wird deutlich: Neben dem Verkauf von Biomethan, Trockeneis, Ammoniak und Torfersatz entscheidet vor allem der Preis der THG-Quoten über die Wirtschaftlichkeit der Biomethanproduktion.
1.600 Tonnen Mist in 200 LKW
Täglich sollen im nordfuel-Werk unter Volllast rund 3.500 Kubikmeter grünes Methan stündlich produziert und in das Netz der EWE AG eingeleitet werden, dass eine entsprechende Anlage in direkter Nachbarschaft betreibt. Das entspricht jährlich knapp 0,7 Terrawattstunden (TWh). Das sind immerhin 6,5 Prozent der gesamte Biomethan-Produktion in Deutschland, die nach Angaben der Deutschen Energie-Agentur 2023 bei 10,4 TWh lag. Aktuell werden im nordfuel-Werk rund 400 Tonnen Kuh- und Geflügelmist aus einem Umkreis von rund 50 Kilometern verarbeitet, am Ende des Jahres soll es mit gut 1.600 Tonnen bei maximaler Auslastung die Vierfache Menge werden. Dafür rollen dann rund 200 LKW täglich auf das Werkgelände. „Wir liegen dabei sehr gut im Zeitplan“, so Rainer Tögel. Rund 65 Mitarbeitende würden momentan das Werk hochfahren. Der Anteil der „Handarbeit“ sei noch hoch, da die Softwaresysteme und Prozesse noch abgestimmt werden müssten. „Die Performance des Werkes ist aber bereits sehr gut“, so Rainer Tögel.
Landwirtschaft: Aus Mist Gold machen
„Aus Mist Gold machen“ – diese Fragen beschäftigt die Landwirtschaft bereits seit vielen Jahrzehnten, betonte Rainer Herbers, der wie viele Genossenschaftsbanker in Weser-Ems einer der wichtigsten Finanzpartner der bäuerlichen Betriebe in der Region ist. Das Biomethan-Werk in Friesoythe könne für die Höfe ein wichtiger Baustein sein. Aktuell stehe Landwirtschaft aufgrund des Strukturwandels und unklarer politischer Vorgaben in Teilbereichen sicherlich am Scheideweg. Dabei spielten auch die THG-Quoten eine wichtige Rolle, denn auch die Landwirte hätten in hohem Maß in die Produktion grüner Energie investiert.
Die THG-Quoten sind aufgrund der jüngsten Insolvenz der Landwärme GmbH aus München – einer der größten Energiehändler in Deutschland - sowie aufgrund einiger betrügerische Machenschaften bei zertifizierten Projekten vor allem in Asien jüngst stark gesunken. Es herrscht Unruhe im Markt. Dies ist auch aus Sicht von Rainer Tögel außerordentlich unerfreulich. Er geht aber wie viele Branchenkenner davon aus, dass sich der Wert von aktuell 80 Euro pro Tonne CO2-Äquivalent kurz- bis mittelfristig wieder erholen werde. „Wir können mit THG-Quoten von im Mittel 180-200 Euro gut und wirtschaftlich leben“, so Rainer Tögel. Dies sei eine realistische Größenordnung. Kurz nach Ausbruch der Krieges in der Ukraine hatten die THG-Quoten 2021/2022 mit mehr als 400 Euro ihre bisherigen Spitzenwerte erreicht.
15 bis 30 Euro pro Tonne Festmist
Für die Landwirte in der Region bedeuten die aktuell niedrigen THG-Quoten auch geringere Erlöse für ihren Rinder- und Geflügelmist. Derzeit zahle nordfuel zwischen 15 Euro (Rind) bis 30 Euro (Geflügel) pro Tonne. Dies sei weniger als zu Spitzenzeiten. Die ausschließlich zur Stabilisierung der Gärung eingesetzte Gülle werde aufgrund des geringen Energiewertes nicht vergütet. Rainer Tögel ist zuversichtlich, dass die Rohstoffbasis für das Werk, das sich als fairer und verlässlicher Vertragspartner verstehe, dauerhaft sicher sei. Neben der hohen Tierdichte in der Region sorgen nach seinen Ausführungen steigende Tierwohlstandards aufgrund der veränderten Haltungsformen für eine perspektivisch steigende Festmistproduktion. Zudem würden verschärfte Auflagen das Ausbringen von Gülle erschweren. „Beide Entwicklungen sorgen dafür, dass wir bei der Rohstoffversorgung zuversichtlich in die Zukunft blicken“, so Rainer Tögel.